Schielerkrankungen

  1. Start
  2. Schielerkrankungen

Was versteht man unter Schielen?

Als Schielen (Strabismus) bezeichnet man eine fehlerhafte Koordination der beiden Augen aufgrund eines gestörten Gleichgewichts der Augenmuskulatur. Der Augapfel wird von je sechs kleinen Muskeln an Ort und Stelle gehalten. Ausserdem kann er sich mit Hilfe dieser Muskeln in der Augenhöhle (Orbita) in die verschiedenen Richtungen bewegen – von aussen zu erkennen als typische Augenbewegungen. Die Richtung in welche sich der Augapfel bewegt hängt dabei vom Zusammenspiel der Augenmuskeln ab: Je nachdem welcher Muskel wie stark kontrahiert – sich zusammenzieht – ergibt sich aus der Summe dieser einzelnen Inputs eine spezifische Richtung. Das Richtungssehen ist also das Ergebnis einer Kombination verschieden starker, gleichzeitig wirkender Kräfte. Dieses komplexe Verhaltensmuster erklärt auch, weswegen der Ausfall bereits eines einzigen Muskels, dieses fein abgestimmte Gleichgewicht empfindlich stören kann: Es zeigt sich das charakteristische Bild des Schielens.

Je nach Ausprägung und Lokalisation der Störung, kann nur ein Auge betroffen sein oder aber beide. Ausserdem gibt es verschiedene Varianten des Schielens, die unterschieden werden:

  • Aussenschielen (Strabismus divergens)

  • Innenschielen (Strabismus convergens)

  • Höhenschielen (Vertikalotropie) – wird definiert über den Hochstand jenes Auges, welches im Vergleich zum anderen höher steht (bei Hypertropie rechts höher als links, bei Hypotropie links höher als rechts)

Des Weiteren wird differenziert zwischen einem primären und einem sekundären Strabismus. Der primäre Strabismus tritt selbstständig auf, wohingegen der sekundäre Strabismus als Symptom oder Folge einer anderen zugrunde liegenden ophthalmologischen Erkrankung zu verstehen ist.
Ausserdem handelt es sich bei Sehorgan des Menschen als Ganzes normalerweise um ein binokuläres System – das heisst, dass die Informationen, die mit jedem Auge einzeln (monokulär) jeweils wahrgenommen werden, im Gehirn und Hirnstamm verschaltet, abgeglichen und zu einem einheitlichen Bild zusammengefügt werden. Dies führt unter anderem dazu, dass Fehlfunktionen oder auch Fehlstellungen eines Auges unter Umständen und bis zu einem gewissen Grad durch das andere Auge ausgeglichen werden können, sodass im Endeffekt trotzdem ein vollständiges und genaues Abbild der Umgebung möglich ist. In Bezug auf das Schielen spricht man auch von einer sogenannten Fusion: Das gesunde Auge kann die Fehlstellung des schielenden Auges ausgleichen. Dies kann jedoch nur beim latenten Schielen geschehen – bei einem manifesten Strabismus besteht eine ständige Abweichung des kranken Auges in einem Ausmass, dass nicht mehr durch das gesunde Auge kompensiert werden kann.

Latenter und Manifester Strabismus

Wie bereits erwähnt wird zwischen einem latenten und einem manifesten Schielen differenziert. Latenter Strabismus beschreibt die Situation, wenn die Sehachsen beider Augen nicht perfekt parallel zueinander stehen – davon betroffen sind ca. 70% der Bevölkerung. Dieses latente Schielen – in unterschiedlichem Ausmass – ist aber nur sehr selten bemerkbar, da es meist sehr gut durch das intakte Auge ausgeglichen werden kann und es bestehen selten massgebliche Einschränkungen des Sehvermögens. Unter Einfluss verschiedener Umweltfaktoren und Substanzen kann ein latenter Strabismus aber temporär in einen manifesten Strabismus übergehen: Typischerweise können beispielsweise Übermüdung und Alkoholeinfluss zum Sehen von Doppelbildern führen. Dies geschieht, weil das gesunde Auge aufgrund der genannten Einflüsse temporär keine oder nur eine ungenügende Dekompensation vornehmen kann.

Bei einer stärker ausgeprägten Form des latenten Schielens können sich Kopfschmerzen und schnellere Ermüdbarkeit der Augen bemerkbar machen – wenden Sie sich in einem solchen Fall am besten an Ihren Augenarzt. Eine leichte Korrektur oder viel seltener ein chirurgischer Eingriff können Abhilfe schaffen und die Beschwerden meist merklich lindern.

Beim manifesten Schielen ist eine dauerhafte Abweichung des betroffenen Auges mit ungenügender Kompensation des anderen Auges zu beobachten. Dabei werden wiederum ebenfalls verschiedene Typen unterschieden:

  • Begleitschielen

    Beim Begleitschielen ist der „Schielwinkel“ in alle Blickrichtungen ungefähr gleich gross – es sind also alle Blickrichtungen betroffen.

  • Frühkindliches Schielsyndrom

    Ein kongenitales (angeborenes) Schielen zeigt sich sehr früh (meist bereits vor dem sechsten Lebensmonat) und beruht auf einer Störung in der Entwicklung des binokulären Sehens – also in der Koordination der Augen und Augenbewegungen. Zu beobachten ist oft ein Innenschielen mit leicht zuckenden, unwillkürlichen Augenbewegungen (Nystagmus). Oft verbreitert sich der Schielwinkel ausserdem beim Blick von unten nach oben oder umgekehrt. Dieses anfängliche Schielen stellt noch keine unmittelbare Gefahr für die Sehfähigkeit des Kindes dar, sollte jedoch so früh wie möglich erkannt und behandelt werden, um weitere Folgen zu verhindern. Zu solchen zählt unter anderem die Entwicklung einer Amblyopie – einer Schwachsichtigkeit – jenes Auges, welches durch die Vorrangstellung des anderen Auges supprimiert wird. Dies kann zu schwerwiegenden Auswirkungen auf die weitere Entwicklung des visuellen Systems – insbesondere im 1.-3. Lebensjahr führen. Die Fähigkeit des räumlichen Sehens ist meist nur ungenügend entwickelt. Als Therapie wird oft ein kleiner chirurgischer Eingriff vorgenommen, um die Problematik auf ein Minimum zu reduzieren. Eine vollständige Heilung in dem Sinne ist aber nicht möglich.

  • Normosensorisches Spätschielen

    Im Sinne des Wortes „normosensorisch“ äussert sich diese Art des Schielens erst nach Abschluss der Entwicklung des binokulären Sehens, das heisst nach dem 2.-3. Lebensjahr. Dieses Spätschielen tritt relativ plötzlich auf und macht sich durch das Sehen von Doppelbildern bemerkbar. Auch hier sollte eine Behandlung möglichst bald erfolgen, da das gesunde Auge das andere Auge relativ bald zu supprimieren beginnt, was ebenfalls zu einer Amblyopie führen kann.

  • Mikrostrabismus

    Darunter wird ein einseitiges, minimales Schielen mit einem Schielwinkel < 5% verstanden. Dazu kommt jedoch auch eine fehlerhafte retinale Korrespondenz, das heisst eine fehlerhafte Verschaltung mit der Netzhaut, was zu einer gestörten Sehwahrnehmung führt. Diese Form des Schielens wird aufgrund des sehr kleinen Schielwinkels meist erst sehr spät – oft erst im Alter des Schuleintritts – bemerkt. Dies hat zur Folge, dass sich in vielen Fällen bereits eine mehr oder weniger ausgeprägte Form einer Amblyopie manifestieren konnte.

Differentialdiagnosen zum Schielen

Nicht jedes scheinbar schielende Kind leidet aber unter einer Form des Strabismus: Säuglinge und auch noch Kleinkinder haben oft einen verbreiterten Nasenrücken, was dazu führt, dass man mehr des Skleraweiss der Augen sehen kann, wodurch der Eindruck eines Schielens entstehen kann. Bei Unsicherheiten konsultieren Sie am besten Ihren Augenarzt.

Auch Lähmungen eines oder mehrerer Augenmuskeln aus verschiedenen Gründen können zu den sichtbaren Symptomen eines Strabismus führen – wobei aber eine zugrundeliegende Problematik ausschlaggebend ist und nicht zwingend ein grundsätzlicher Defekt der Augenkoordination. Des Weiteren kann Schielen auch als Begleiterscheinung und Symptom einer anderen Erkrankung auftreten, wie beispielsweise Netzhauterkrankungen, Defekten und Störungen des dioptrischen Apparates (Hornhaut, Augenkammern, Linse und Glaskörper), bei Akkommodationsstörungen (Einstellung der Sehschärfe in die Nähe und Ferne) oder auch bei Schlupflidern oder ähnlichem.

Bei weiteren Fragen zum Thema Schielerkrankungen oder Fragen zur Diagnostik, der Therapie und dem genauen Behandlungsverlauf stehen Ihnen die Augenärzte der Augentagesklinik Zollikofen gerne beratend zur Seite.

This site is registered on wpml.org as a development site.